Mit Agroforst und Co. der Trockenheit trotzen und die Artenvielfalt stärken
Am 5. Dezember 2024 fand die erste Veranstaltung im Rahmen des Themenstrangs „Umwelt“ statt. Inhaltlich ging es um das Thema Agroforst im Hohen Fläming und die Frage, wie wir Potenziale für die Landwirtschaft und den Naturschutz besser nutzen können. Der Thementag bestand aus zwei Veranstaltungsformaten: einem Praxistag, der sich an Landnutzende, Verwaltungsmitarbeitende und aktive Naturschützer*innen richtete. Und eine informative Abendveranstaltung für die interessierte Öffentlichkeit und Projekte und Initiativen in der Region, die Bäume in die Landschaft bringen oder dies tun wollen.
Was ist Agroforst? Agroforst ist ein Landnutzungssystem, bei dem Gehölze mit Ackerkulturen (oder Grünland) auf der Fläche kombiniert werden. Das bietet viele Vorteile, etwa der Schutz des Bodens vor Erosion, die Reduzierung von Stichstoffeinträgen in Gewässer und die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen. Insbesondere auf ertragsschwachen Standorten bieten die Gehölze zusätzliche Einkommensquellen und eine höhere Ertragsstabilität für Landnutzende. Agroforst hat das Potenzial den Verlust der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften entgegenzuwirken und Naturschutz und Landwirtschaft zusammenzubringen. Letzteren Aspekt vertiefte Leon Bessert vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFaF e.V.) in seinem Vortrag. Im Projekt SEBAS werden Auswirkungen von Agroforstsystemen auf die Vielfalt von Insekten wissenschaftlich untersucht. Weil ein Drittel aller Insekten von Gehölzen abhängig ist, bieten Agroforstsysteme Lebensräume, Nahrungsquellen und Schutzkorridore auf dem Acker.
Im Hohen Fläming gibt es verschiedene Akteure, die sich dafür stark machen, mehr Bäume in die Kulturlandschaft zu bringen. So bietet das Team von Baumfeldwirtschaft Beratung, Planung und Umsetzung von Agroforstsystemen und Keyline Design (Wasserrückhalt in der Fläche) für Landnutzende in der Region an. Auch Svenja Nette (LandLobby) ist auf dem Feld und im Hohen Fläming aktiv und pflanzt Agroforstsysteme und kümmert sich um auskömmliche Finanzierungswege für Landwirt*innen als Mitgründerin von VIVO Carbon. Der Thementag in Kooperation mit Baumfeldwirtschaft und LandLobby statt.
Ein Blick in die Praxis zeigt, dass es gut funktioniert. Erste Vorzeigeprojekte in Brandenburg gibt es bereits und es werden immer mehr! Zum Beispiel in Märkisch Wilmersdorf bei Maria Giménez in Wilmars Gärten. Auf einhundert Hektar wurde bereits verschiedene Formen Agroforst gepflanzt mit Streuobstwiesen, Landschaftselementen und Kurzumtriebsplantagen (KUP), davon zwanzig Hektar im Keyline Design. Maria plädiert dafür, dass Landwirtschaft mehr nach den Regeln der Natur gestaltet wird. So erhalten wir die Bodenfruchtbarkeit und die natürlichen Grundlagen auch für zukünftige Generationen.
Konflikte erkennen, Lösungen gemeinsam angehen. Wenn Bäume pflanzen so viele positive Aspekte mit sich bringt, warum finden wir so wenig Bäume auf dem Acker? In den Vorträgen und der Diskussion wurden Zielkonflikte und bestehende Herausforderungen angesprochen, die es derzeit verhindern, dass Agroforst im Hohen Fläming etabliert wird. Auch wenn deutschlandweit in vielen Landschaftsschutzgebieten Agroforstpflanzungen umgesetzt wurden, verhindert die momentan geltende Satzung des LSG Hoher Fläming (ein Großteil des Naturparks Hoher Fläming befindet sich im LSG „Hoher Fläming – Belziger Landschaftswiesen“), dass Agroforst auf der Fläche umgesetzt werden kann. Dabei kommt es immer auf die jeweilig geltenden Regeln in der LSG-Verordnung an und deren Auslegung durch die Unteren Naturschutzbehörden. Um rechtliche Unklarheiten auf allen Seiten auszuräumen, bedarf es einer Anpassung der Verordnung durch das zuständige Landesministerium. Das wäre eine konkrete Lösung, für die man sich gemeinsam – Landnutzungs- und Naturschutzseite – einsetzen könnten.
In der Diskussion zeichnete sich ab, dass der Weg dahin noch geebnet werden muss. Es braucht ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprache – und das in einer Zeit, wo die klimatischen Veränderungen rasant voranstreiten. Dass diese gemeinsame Sprache zwischen Landnutzungs- und Naturschutzseite oft ausbaufähig ist, bestätigte auch Julia Binder vom NABU NRW. Im Rahmen ihrer Arbeit hat sie die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Thema Agroforst untersucht und beschrieben, wie eine Brücke zwischen Naturschutz und Landwirtschaft entstehen kann (Hintergrundpapier NABU). Ihrer Meinung nach braucht es eine Verortung von Agroforst im Naturschutz (-recht), Handlungsempfehlungen für die Praxis und politische und rechtliche Rahmenbedingungen (z.B. Öffnung für nicht heimische aber klimaresiliente Gehölze), die Agroforst ermöglichen. Es braucht weitere Gespräche, um ein gemeinsames Verständnis und gemeinsame Ziele zu entwickeln und gemeinsam Lösungen für den Hohen Fläming auf den Weg zu bringen.
Am Abend gab es den Raum für Projekte und Initiativen, um sich vorzustellen und zum Mitmachen einzuladen:
Lisa Leppek stellte die Arbeit des Landschaftspflegeausschusses vor, der beim Naturparkverein angesiedelt ist. Eine Aufgabe von Lisa ist es, geeignete Flächen für die Umsetzung von Eingriffs- und Kompensationsmaßnahmen zu finden. Dabei entstehen neue Streuobstwiesen, Blühflächen, Hecken – kurz Gehölze werden in die Landschaft gebracht und entfalten dort ihre Wirkung! Landnutzende und Privatpersonen können dafür ihre Flächen zur Verfügung stellen. Die Kosten für Pflanzung und Pflege über 20 Jahre werden übernommen.
Jenni Heise und ihr Verein Commutas e.V. hat 2022 einen Mini-Wald bzw. Miyawaki-Wald in Kranepuhl mit viel Unterstützung aus der Region gepflanzt. Dabei werden möglichst viele Bäume eng auf eine Fläche gebracht, wodurch die Bäume und Gehölze schnell wachsen. So entsteht innerhalb weniger Jahre eine strukturreiche Gehölzinsel, die Habitate für Insekten, Vögel und Kleinsäuger bietet und zweimal mehr CO2 binden kann als eine traditionelle Aufforstung. Ein Projekt, das definitiv Nachahmer sucht!
Das Thema zunehmende Trockenheit und die Notwendigkeit der Bewässerung von Bäumen in den ersten Jahren stellt eine Herausforderung für den Hohen Fläming dar. In der Wassermeisterei von Daniel Diehl wird die Trockenheit im Hohen Fläming mithilfe von Bodensensoren gemessen. Dadurch entsteht ein lokales Messnetz, welches für das Thema sensibilisieren soll und Ausgangspunkt für Maßnahmen zur Klimaanpassung im eigenen Garten und auf den Feldern sein kann. Wie sich Agroforst auf die Bodenfeuchte auf dem Acker auswirkt, soll perspektivisch auch untersucht werden.
Alle Artikel ansehen